Das MotoGP-Wochenende 2024 in Jerez ist wohl keines, an das sich Johann Zarco noch lange zurückerinnern wollen wird. Nach einer starken Leistung im verregneten Qualifying lag der Franzose im Sprint nämlich auf Top-Fünf-Kurs, stürzte dann aber in der allerletzten Kurve auf einem nassen Fleck und blieb ohne Punkte. Auch am Sonntag endete das Hauptrennen dann vorzeitig, nachdem der LCR-Pilot von Aleix Espargaro abgeschossen worden war. Anschließend brannten ihm die Sicherungen durch - und zwar aufgrund eines Ereignisses im Stewardspanel.

Dorthin war Zarco nach Rennende gemeinsam mit Unfallgegner Espargaro von den Stewards zitiert worden, ihre Kollision aus der zehnten Rennrunde befand sich noch unter Untersuchung. "Ich bin zu ihnen gegangen und Freddie Spencer [MotoGP-Chefsteward, Anm.] schaute sich die Szene gemeinsam mit uns an. Dann sah er zu mir und wollte, dass ich mich über Aleix beschwere", beschreibt Zarco die folgenden Momente in seiner Medienrunde. "Ich sagte ihm dann, dass ich das nicht tun werde und dass er nicht der richtige für diesen Job ist, denn er trifft keine Entscheidungen. Er soll nicht mich fragen, was er zu tun hat."

MotoGP-Chefsteward und Motorrad-Legende Freddie Spencer in Austin
Freddie Spencer wurde von Johann Zarco am Sonntag heftigst kritisiert, Foto: LAT Images

Johann Zarco kritisiert MotoGP-Chefsteward Spencer: Ist hier falsch am Platz!

Heftige Kritik also vom Franzosen, dem ganz offensichtlich nicht passte, dass der MotoGP-Chefsteward Spencer nicht in der Lage war, eine eigene Entscheidung zu treffen. "So sah es jedenfalls für mich aus", ergänzt er und legt nach: "Er sah uns [Zarco und Espargaro, Anm.] wie zwei Kinder an, als wolle er uns eine Standpauke halten. Aber Nein Freddie! Du magst vielleicht viel Leidenschaft für den Sport haben, aber du triffst keine Entscheidungen. Du bist hier nicht richtig. Wir müssen etwas ändern."

Damit war dann auch genug gesagt, denn die Stewards schmissen den wütenden Zarco anschließend in hohem Bogen aus ihrem Büro. Nicht zum ersten Mal befinden sie sich damit im Zentrum der Kritik von MotoGP-Piloten. Im Gegenteil, über die Stewards wird seit Jahren diskutiert. In Le Mans kam es im Vorjahr sogar zu einem Krisenmeeting, nachdem sich viele Piloten in Folge des Spanien GP 2023 unzufrieden gezeigt hatten. Viel geändert hat sich seither jedoch nicht. Zarcos Landmanns Fabio Quartararo äußerte beispielweise Ende 2023 heftige Kritik, am Samstag legten Joan Mir und Miguel Oliveira nach. Auch Francesco Bagnaia und Marco Bezzecchi wirkten unglücklich über die Nichtbestrafung Brad Binders. Die Luft im MotoGP-Fahrerlager war also schon lange dick, nun scheint zumindest bei Zarco das Fass übergelaufen zu sein.

Das Kuriose: Der LCR-Honda-Pilot forderte nichtmal eine Strafe für Kontrahent Espargaro, die durchaus vertretbar gewesen wäre. 'ServusTV'-Experte und -Kommentator Alex Hofmann meinte noch während der Rennübertragung etwa, dass eine Longlap-Penalty für den kommenden Frankreich GP angebracht sei. Zarco war das jedoch völlig egal, ihm ging es einzig vom die verpatzte Arbeit Spencers. Den Unfall mit Espargaro beschrieb er wie folgt: "Zwei oder drei Runden zuvor hat er [Espargaro, Anm.] aus Kurve 4 heraus ein ordentliches Manöver versucht. Ich habe seine Linie gekreuzt und konnte in Turn 5 kontern. Diesmal war er aber zu spät dran, hat die Front verloren und ist in mein Motorrad gekracht. Ich will mich aber nicht beschweren, das kann passieren. Ich bin nicht hier, um Strafen zu fordern."

Aleix Espargaro kollidiert mit Johann Zarco im Spanien GP der MotoGP
Dieses Manöver beförderte Aleix Espargaro und Johann Zarco aus dem Spanien GP, Foto: LAT Images

Aleix Espargaro verteidigt Johann Zarco: Kann ihn verstehen

Eine solche blieb übrigens auch aus, die Stewards entschieden nach einiger Analyse- und Beratungszeit auf einen Rennunfall und 'no further action' - sehr zu Freude von Aleix Espargaro, der damit keine Konsequenzen für den nächsten Grand Prix fürchten muss. Der Aprilia-Pilot konnte Zarcos Ärger nachvollziehen, stellte sich aber auch schützend vor die Stewards: "Johann war ziemlich unzufrieden mit der Rennleitung und hat sich dann etwas von seinen Gefühlen übermannen lassen. Ich bin auf Johanns Seite, ich bin auch nicht zufrieden mit der Situation. Das könnte alles viel besser gemanagt werden. Aber du kannst nicht so die Kontrolle verlieren, du musst professionell bleiben."

Vor nicht allzulanger Zeit war dem 34-jährigen Routinier ein ähnlicher Fauxpas unterlaufen, im Training zum Katar Grand Prix im vergangenen November verpasste er Franco Morbidelli einen Schlag gegen den Helm und bekam dafür eine Rekordstrafe aufgebrummt. "Ich habe daraus gelernt und bin mit Johann rausgegangen, als ich das gesehen habe. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen", sagt Espargaro, bekräftigt gleichzeitig aber auch: "Ich kann ihn sehr gut verstehen."

Das Stewardsthema dürfte die MotoGP also wohl noch eine Weile beschäftigen, potenziell stellen die Ereignisse des Sonntagnachmittags in Jerez sogar erst den Anfang einer Art Revolution dar. Denn Zarco verrät: "Wir Fahrer arbeiten daran, um eine Gruppe zusammenzubekommen und unsere Meinung deutlich zu machen." Über eine solche Fahrergewerkschaft wird in der Königsklasse seit Jahren diskutiert, im vergangenen Herbst nahm das Thema an Fahrt auf. Zarco hofft: "Vielleicht schaffen wir es dann, die richtigen Leute in diese Positionen zu bekommen. Freddie Spencer ist jedenfalls nicht die korrekte Person dafür."